Die Macht der Gaslobby in Deutschland
Pipelines in die PolitikDie Macht der Gaslobby in Deutschland

Unsere Studie zeigt, wie mächtige Lobby-Allianzen aus Gaskonzernen und Industrie Druck machen für den Erhalt ihrer fossilen Geschäfte. Die letzten Bundesregierungen haben der Gasindustrie Lobbypipelines gelegt, die auch aktuell noch fortwirken.

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Die Gaslobby jubelte, als 2019 der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier verkündete: „Gas ist sexy!“ Ihr jahrelanger Lobbyismus war erfolgreich, hatte doch die Bundesregierung ausgerechnet das umweltschädliche Erdgas als angeblich wichtigen Teil der Energiewende anerkannt und ihnen so Milliarden-Gewinne gesichert. Wie konnte es dazu kommen?

Unsere Studie „Pipelines in die Politik - Die Macht der Gaslobby in Deutschland“ beleuchtet, wie die Bundesregierungen seit Gerhard Schröder die Abhängigkeit von russischem Gas vorangetrieben haben. Im Fokus stehen dabei Schlüsselfiguren der deutschen Gaspolitik und deren Netzwerke, die großen deutschen Gaskonzerne und ihre Lobbyverbände sowie deren privilegierte Zugänge zur Politik.

Wir erklären, wie die Gasindustrie immer noch Einfluss nimmt auf die Debatten und Entscheidungen zur weiteren Erdgas-Nutzung (Heizen, Wasserstoff und LNG-Importe). Wir zeigen auf, welche politischen Veränderungen im Verhältnis zwischen Politik und Gasindustrie dringend notwendig sind.

Pipelines in die Politik

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Ob sich alte Gaslobby-Netzwerke durchsetzen oder ein Ausstieg aus dem fossilen Energieträger gelingt, hängt auch davon ab, welche gesellschaftlichen Akteure sich Gehör verschaffen können.

Dazu sind mehr Abstand der Politik zu fossilen Geschäftsinteressen, mehr Ausgewogenheit in der Beteiligung verschiedener Interessengruppen sowie mehr Transparenz über politische Entscheidungsprozesse nötig.

Unsere Thesen zur Macht der Gaslobby

1. Die Macht der Gaskonzerne und ihre engen Lobbyverbindungen zur Bundesregierung haben der Gesell­schaft massiven Schaden zugefügt:

Die deutsche Energiepolitik steht unter dem Einfluss von Netzwerken aus Gasindustrie, Lobbyist:innen und Politiker:innen, die auch gezielt von den autoritären Regimen aus Förderländern wie Russland und Aserbaidschan unterstützt wurden. Bundes- und Landesregierungen pflegten auch selbst einseitig den Kontakt zur Gasindustrie.

Durch diese engen Verbindungen haben sich die letzten Bundesregierungen viel zu sehr auf russisches Gas ausgerichtet und sich damit erpressbar gemacht. Gleichzeitig haben sie es verpasst, rechtzeitig den Umstieg auf erneuerbare Energien einzuleiten. Die Folgen für die Gesellschaft sind verheerend: Es drohen weitere erhebliche Klimaschäden, milliardenschwere Fehlinvestitionen zulasten der Steuerzahler:innen, enorme Preissteigerungen sowie möglicherweise sogar Versorgungsengpässe.

2. Jetzt ist ein kritischer Zeitpunkt für die Neuausrichtung der Gaspolitik:

So entstehen derzeit weitere Pfadabhängigkeiten durch neue Gaslieferverträge und milliardenschwere Großprojekte. Die Gaslobby ist dabei weiterhin äußerst aktiv: Sei es der Bau von LNG-Terminals, das Heizen oder das Geschäft mit dem Wasserstoff – überall drängen Gaskonzerne weiter auf den Erhalt ihres fossilen Geschäftsmodells. Daher braucht es jetzt ausreichend Abstand zwischen Politik und Gasindus­trie sowie breite und ausgewogene Beteiligung auch jenseits der Energie- und Gaskonzerne. Dazu gehören zum Beispiel frühzeitige Gespräche mit Umweltverbänden zu energie­politischen Themen.

Infolge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine gibt es erste Anzeichen, dass alte Netzwerke zwischen Gasindustrie und Politik bröckeln. Das zeigt die vermehrte Kritik an Schröders Rolle als Gaslobbyist oder der Ausstieg des Chefs der Deutschen Energie-Agentur (DENA) Andreas Kuhlmann aus dem Lobbyverband Zukunft Gas. Doch zugleich befindet sich die Bundesregierung in der Zwangslage, schnell russisches Gas ersetzen zu müssen, um die Gasversorgung für Industrie und Haushalte sicherzustellen.

3. Als doppelte Lobbymacht drängten Gaswirtschaft und Industrie gemein­sam auf den Zugang zu dem ver­meintlich billigen Gas aus Russland:

Das deutsche Wirtschaftsmodell beruht wesentlich auf energieintensiven Unternehmen der Chemie- und Schwerindustrie, die das vermeintlich billige Gas aus Russland eingefordert haben. Um sich den Zugang zu garantieren, betrieben deutsche Unternehmen und einflussreiche Politiker:innen in Foren wie dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft eine Art Nebenaußenpolitik, die ihre Geschäfte mit der Erzählung des „Wandels durch Annäherung und Handel“ politisch legitimierte. Gas- und Industriekonzerne traten gemeinsam an die Politik heran, um weiterhin vermeintlich günstiges Gas beziehen zu können. Noch immer sind Industriekonzerne zentrale Mitspieler der deutschen Gaslobby – allen voran BASF. Das Unternehmen verbraucht selbst große Mengen Gas und ist über seine Tochter Wintershall DEA stark mit der russischen Gasindustrie verflochten. Erst im Januar 2023 kündigte Wintershall den Rückzug aus dem russischen Gasgeschäft an.

Pipelines in die Politik

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4. Die Gaslobby hat das ­wirkmächtige Narrativ vom Gas als „saubere Brückentechnologie“ etabliert und inszeniert die Gasbranche über das Wasserstoffgeschäft als vermeint­lichen Zukunftsmarkt:

LNG-Truck vor dem Bundestag
Andreas Malachow via Wikimedia Commons - CC-BY-SA 4.0
Während der Kampagne von Zukunft Gas machte ein LNG-Truck die Botschaften im Regierungsviertel bekannt.
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LNG-Truck vor dem Bundestag
Während der Kampagne von Zukunft Gas machte ein LNG-Truck die Botschaften im Regierungsviertel bekannt.

Die Gasindustrie vermarktet sich mithilfe von PR-Lobby­verbänden wie Zukunft Gas als angeblich wichtigen Teil der Energiewende. Doch das Verbrennen des fossilen Gases ist nicht klimafreundlich, vor allem, weil entlang der Gaslieferkette Methan freigesetzt wird. Die Erzählung der vermeintlich sauberen und klimafreundlichen „Brückentechnologie“ ist daher irreführend.

Wasserstoff ist nur dann klimafreundlich, wenn er mit erneuerbaren Energien erzeugt und nur dort eingesetzt wird, wo eine Elektrifizierung weniger effizient ist. Mit Begriffen wie „kohlenstoffarme Gase“ schafft die Gaslobby dagegen ein neues Framing, das auch Gase aus Erdgas zum vermeintlichen Teil der Lösungen für die Klimakrise macht.

5. Die Gasindustrie ist durch starke Konzentration und ­entsprechende Monopolmacht geprägt, die den Konzernen großes Drohpotenzial gegenüber Politik und Gesellschaft verleiht. Die Konzentration wurde von den letzten Bundesregierungen politisch gefördert:

Gaslieferkette der Energiekonzerne in Deutschland
Holger Müller/LobbyControl - CC-BY-NC-ND 4.0
In der Gasindustrie herrscht eine starke Monopolmacht. Das ist an der Gas-Lieferkette mit nur wenigen Konzernen gut sichtbar.
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Gaslieferkette der Energiekonzerne in Deutschland
In der Gasindustrie herrscht eine starke Monopolmacht. Das ist an der Gas-Lieferkette mit nur wenigen Konzernen gut sichtbar.

Die Geschäfte der beiden großen Gaskonzerne Uniper und Wintershall DEA waren so eng mit Gazprom verflochten, dass die deutsche Gasversorgung als Bereich der kritischen Infrastruktur zum Spielball russischer geostrategischer Interessenpolitik geworden ist. Das zeigt zum Beispiel Gazproms jahrelanger Zugriff auf den größten europäischen Gasspeicher im niedersächsischen Rehden oder Putins Macht, den Gasfluss über die Nord-Stream-Pipeline einzuschränken.

Auch die großen Energiekonzerne Eon und RWE haben Monopolmacht in der Gaslieferkette erlangt, indem sie die Bereiche Stromproduktion (darunter Gaskraftwerke) und Versorgung unter sich aufgeteilt haben. Das bringt vor allem Abhängigkeiten für die Stadtwerke mit sich. Beide großen Tauschgeschäfte wurden von den jeweiligen Bundes­regierungen trotz Kritik von Behörden oder betroffenen kleineren Unternehmen unterstützt. Bei den Industrieunternehmen hat BASF als großer industrieller Gasverbraucher großes Drohpotenzial gegenüber Politik und Gesellschaft: Steigen die Gaspreise, droht BASF mit Arbeitsplatzabbau, der aufgrund der Größe des Konzerns tatsächlich zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen könnte.

6. Die wirtschaftliche Macht der Gasunternehmen schlägt sich auch in problematischer politischer Macht nieder, wie hohe Lobbyausgaben zeigen:

Die Energie- und Gaskonzerne haben in den letzten Jahren und Monaten hohe Gewinne eingefahren und ihr Geschäft immer weiter ausgebaut. Das schlägt sich auch in hohen Lobbyausgaben nieder: Unternehmen, die im deutschen Gasgeschäft tätig sind, gaben im Jahr 2021 mehr als 40 Millionen Euro für ihre Lobbyarbeit aus und beschäftigten rund 410 Lobbyist:innen.

Lobbyausgaben und Anzahl der Lobyist:innen der großen Energiekonzerne 2021 Quelle: Lobbyregister beim Deutschen Bundestag
Die Konzerne geben mehrere Millionen für ihre Lobbyarbeit aus. Quelle: Zahlen für 2021 aus dem Lobbyregister beim Deutschen Bundestag
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Lobbyausgaben und Anzahl der Lobyist:innen der großen Energiekonzerne 2021 Quelle: Lobbyregister beim Deutschen Bundestag
Die Konzerne geben mehrere Millionen für ihre Lobbyarbeit aus. Quelle: Zahlen für 2021 aus dem Lobbyregister beim Deutschen Bundestag

Hierbei sind die Lobbyausgaben von Gazprom noch nicht einmal eingerechnet, weil sich der Konzern nicht in das deutsche Lobbyregister eingetragen hat. Diese Lobbymacht ist schädlich: Mit diesen großen Geldsummen und einer Unzahl an Lobbyist:innen drängen die Unternehmen die Politik dazu, ihre Geschäfte mit dem fossilen Gas weiter abzusichern.

7. Enge Netzwerke aus Politiker:innen, Gasindustrie und Lobbyist:innen mit Verbindungen in die autoritär regierten Förderländer beeinflussen die deutsche Energiepolitik enorm:

Das deutsch-russische Lobbynetzwerk
Petra Raddatz / LobbyControl - CC-BY-NC-ND 4.0
Ex-Kanzler-Gerhard Schröder ist eine Schlüsselfigur des deutsch-russischen Gasnetzwerkes - aber nicht die einzige.
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Das deutsch-russische Lobbynetzwerk
Ex-Kanzler-Gerhard Schröder ist eine Schlüsselfigur des deutsch-russischen Gasnetzwerkes - aber nicht die einzige.

Altkanzler Gerhard Schröder hat mit seinen Posten bei russischen Öl- und Gaskonzernen der Gasindustrie immer wieder Türen in die deutsche Politik geöffnet: so etwa zum damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der den Verkauf deutscher Gasspeicher an Gazprom zuließ. Schröders Einfluss ist aber nur die Spitze des Eisbergs: Mittelsmänner zwischen deutschen und russischen Geschäftsinteressen wie Klaus Mangold und Heino Wiese wurden von Russland gezielt aufgebaut und als Honorarkonsuln mit Privilegien ausgestattet.

Sie dienten dazu, in Deutschland politische Kontakte für das autoritäre Regime herzustellen und dessen Politik so zu legitimieren. Von Unternehmen gesponserte und teilweise staatlich unterstützte Netzwerke festigten die engen Beziehungen weiter – so beispielsweise der von Gazprom mitfinanzierte Russlandtag der Schweriner Staatskanzlei. Die Netzwerke mit Aserbaidschan oder Russland zeigen, wie arglos und willfährig manche Politiker:innen mit Lobbyist:innen autokratischer Staaten verfahren.

8. Die Bundesregierung bietet der Gasindustrie privilegierte Zugänge zu energiepolitischen Entscheidun­gen, indem sie diese einseitig in politische Entscheidungsprozesse einbindet:

Die Deutsche Energie-Agentur (DENA) als bundeseigenes Unternehmen fungiert für die Gaswirtschaft als Lobbykanal in das Bundeswirtschaftsministerium. Die DENA organisiert zahlreiche Formate, zu denen sie regelmäßig einseitig Wirtschaftsvertreter:innen einlädt – und Umwelt- oder Verbraucherschutzverbände allenfalls am Katzentisch zulässt. Auf diese Weise entstand auch die Gasstrategie der Bundesregierung: Sie wurde weitgehend von der Industrie selbst formuliert und räumte Gas eine entsprechend große Rolle in der deutschen Energiepolitik ein. Auch unter Wirtschaftsminister Habeck wirken die gasfreundlichen Netzwerke und Strukturen rund um das Ministerium weiter – sei es durch gasfreundliches Personal im Ministerium, durch weiterhin aktive Lobbyverbände mit guten Zugängen ins Ministerium und weiterhin bestehende gasfreundliche Strukturen innerhalb der DENA. Gaskonzerne sind infolge der Energiekrise noch enger in die Arbeit des Wirtschaftsministeriums sowie des Bundeskanzleramts eingebunden als zuvor.

9. Stadtwerke als kommunale Unternehmen können wichtige Gegenspieler der großen Energie- und Gaskonzerne sein:

In Deutschland versorgen die Stadtwerke die Menschen unter anderem mit Strom, Gas und Wärme und sind dafür zuständig, die notwendige Grundversorgung der Menschen zu sichern. Seit der Liberalisierung des Strommarktes ab 1998 wurden die Stadtwerke teilweise oder sogar vollständig von großen Energiekonzernen wie Eon übernommen. Durch Konzernbeteiligungen sind sie stark vom Quasi-Monopolisten Eon und anderen großen Konzernen abhängig. Doch als kommunale Unternehmen sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet und werden durch die Kommunalpolitik mitbestimmt. Diese besondere Stellung der Stadtwerke bietet Bürger:innen die Möglichkeit, Einfluss auf die lokale Energiepolitik zu nehmen. Das haben die zahlreichen Initiativen für eine Rekommunalisierung der Strom- und Gasversorgung gezeigt.

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Unsere Forderungen und Empfehlungen zur Begrenzung der Macht der Gaslobby

Diese Studie hat den Anspruch, einen umfassenden Überblick über den Einfluss der Gaslobby auf die Bundesregierung zu liefern. Deutlich geworden ist: Der einseitige Einfluss der Gaslobby auf die Politik und die übermäßige Macht der Konzerne haben der Gesellschaft großen Schaden zugefügt.

Transparenz und Schranken für einseitige Einflussnahme

Der Gas-Industrie die Lobby-Pipelines zudrehen!
LobbyControl/Gordon Welters - CC-BY-NC-ND 4.0
Der Gas-Industrie die Lobby-Pipelines zudrehen!

Sponsoring offenlegen und begrenzen:
In der Politik fließt Geld selten ohne Hintergedanken, sondern dient entweder allgemein der „politischen Landschaftspflege“ oder der Stärkung bestimmter politischer Parteien oder Lager. Hier braucht es bessere Transparenzregeln, um die Geldflüsse sichtbar zu machen und eine politische Einflussnahme zu verhindern. Das Parteiengesetz sieht Transparenz­ regeln für Parteispenden vor, auch Behörden müssen Rechenschaft über ihre Sponsoren ablegen. Doch es fehlen Obergrenzen für einzelne Geldgeber sowie Transparenzregeln für das Parteiensponsoring. Für Parteispenden und -sponsoring braucht es strengere Regeln: Obergrenze bei 50.000 Euro, Offenlegung sofort ab 10.000 Euro und ab 2.000 Euro in den Rechenschaftsberichten. Außerdem sollten sich Parteien und öffentliche Institutionen nicht von Akteuren sponsern lassen, die fossile Geschäftsinteressen verfolgen – als Vorbild kann hier die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation WHO dienen, die ein Verbot von Sponsoring durch die Tabakindustrie vorsieht.

Kontakte mit Interessenvertreter:in­nen offenlegen und eine Lobby-Fußspur einführen:
Das Lobbyregister ermöglicht einen Einblick, welche Lobbyist:innen in wessen Auftrag und mit welchen Lobbyausgaben in Berlin präsent sind. Es zeigt aber nicht, was diese Lobbyakteure genau tun. Dazu braucht es zusätzlich eine Lobby-Fußspur für Gesetze und Verordnungen, um Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse in den Ministerien sichtbar zu machen. Darüber hinaus braucht es Transparenz für Lobbytreffen jeglicher Art für Bundeskanzler, Bundesminister:innen, Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen, um nachverfolgen zu können, welche Treffen zwischen Lobbyakteuren und Politik stattfinden. So kann demokratische Kontrolle und das Vertrauen in die Regierungsarbeit nachhaltig gestärkt werden.

LobbyControl Team hält "Die ganze Lobby-Fußspur sichtbar machen" Banner vor dem Reichstag
LobbyControl - CC-BY-NC-ND 4.0
Im Oktober 2021 starteten wir unsere Aktion zur Lobby-Fußspur vor dem Bundestag.
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LobbyControl Team hält "Die ganze Lobby-Fußspur sichtbar machen" Banner vor dem Reichstag
Im Oktober 2021 starteten wir unsere Aktion zur Lobby-Fußspur vor dem Bundestag.

Bestehende Regeln für Seitenwechsel aus der Politik in die Wirtschaft und insbesondere in Lobbyjobs verschär­fen:

Immer wieder machen Politiker:innen ihre Kenntnisse, die sie in einem demokratischen Amt oder einem Mandat erworben haben, zu Geld, indem sie in Lobbyjobs wechseln. Das befördert bestehende Machtungleichgewichte, da sich nur wenige Akteure hochbezahlte ehemalige Spitzenpolitiker:innen leisten können. Zudem besteht die Gefahr, dass Politiker:innen schon während ihrer Amtszeit auf lukrative Lobbyjobs schielen und ihre politischen Entscheidung danach ausrichten. Deswegen braucht es klare Regeln für Sperrfristen bzw. Karenzzeiten. Die seit 2015 bestehende Karenzzeit von in der Regel zwölf
bis maximal 18 Monaten für Bundesminister:innen und parlamentarische Staatssekretär:innen hätte nahtlose Seitenwechsel wie von Gerhard Schröder
zur Nord Stream AG verhindert, doch Seitenwechsel sind weiterhin sehr bald nach dem Ausscheiden aus der Politik möglich.

Die Karenzzeit für Regierungsmitglieder muss deutlich verlängert und Wechsel in Lobby­tätigkeiten müssen ausgeschlossen werden. Auch die im Beamtenrecht festgelegten Regeln für eine Karenzzeit für beamtete Staatssekretär:innen und
Abteilungsleiter:innen müssen verschärft werden. Außerdem braucht es wirksamere Kontrollmöglichkeiten. Auch Bundestagsabgeordnete sollten in Anlehnung an die Pläne für das Europäische Parlament zeitlich befristet nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag keine bezahlten Lobbytätigkeiten aufnehmen dürfen. Zusätzlich sollten ehemalige Abgeordnete ihre bislang lebenslang geltenden Zugangsprivilegien zum Bundestag verlieren, wenn sie nach Ablauf der Frist als Lobbyist:innen tätig sind.

Klare Grenzen zwischen Politik und Lobbyinteressen

DENA neu aufstellen:Entlang der Gaslieferkette sind in allen Bereichen mächtige Konzerne entstanden. Die DENA darf nicht länger als Lobbykanal für die Interessen der Gasindustrie fungieren. Ein energie­politisches Beratungsgremium für die Regierung sollte sich nicht von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden mit klaren Interessen am Erhalt fossiler Geschäftsmodelle mitfinanzieren lassen. Das federführende Bundeswirtschaftsministerium muss die DENA deshalb entsprechend neu ausrichten, damit die DENA unabhängig von fossilen Interessen tätig sein kann.

Abstand halten zu mächtigen fossilen Lobby­interessen:
Politiker:innen sollten ihre Kontakte zu Akteuren mit fossilen Geschäftsinteressen auf das absolut Nötigste reduzieren, weil diese der Einhaltung der Klimaziele und somit dem öffentlichen Interesse entgegenstehen. U.a. sollten sie Abstand nehmen von Mitgliedschaften in Lobbyverbänden (z.B. Beirat Zukunft Gas) oder Lobby-Foren (Deutsch-Aserbaidschanisches Forum / Deutsch-Russisches Forum). Kontakte sollten auf notwendigen sachlichen Austausch begrenzt bleiben und sollten nicht mit weiteren Annehmlichkeiten verbunden sein – wie etwa Festveranstaltungen oder aufwändigen Reisen. Politiker:innen sollten auch keine Veranstaltungen organisieren oder protegieren, die stark von fossilen Akteuren dominiert oder finanziert sind (wie z.B. den Russlandtag).

Ausgewogene und breite Beteiligung im Sinne des Gemeinwohls sicher­ stellen

Privilegierte Zugänge für die fossile Industrie beenden:
In Formaten wie dem Dialogprozess Gas 2030 oder dem Nationalen Wasserstoffrat haben Vertreter:innen der Gasindustrie immer wieder privilegierte Zugänge zur Politik erhalten, die anderen Akteuren nicht in der gleichen Form zustanden. Beratungsgremien und institutionalisierte Austauschrunden im Kontext der Energiewende und der Regulierung der Gasindustrie dürfen weder personell noch thematisch einseitig den Interessen der Branche entsprechen. Andere Interessen­gruppen, wie zum Beispiel Umwelt- und Verbraucherschutzverbände, müssen ausreichend vertreten sein und dürfen keine Feigenblattfunktion erhalten. Auch innovative Formate wie Bürgerräte oder regionale Transformationsräte können gute Ansatzpunkte für eine breite Beteiligung sein und haben sich an vielen Stellen bereits bewährt.

Weit überwiegend sitzen im Nationalen Wasserstoffrat Unternehmen, die vom Geschäft mit dem Wasserstoff und der dazugehörigen Technik und Logistik profitieren
Holger Müller / LobbyControl - CC-BY-NC-ND 4.0
Durch Foren wie den Wasserstoffrat hat die Gaslobby privilegierte Zugänge, während die Zivilgesellschaft kaum vertreten ist.
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Weit überwiegend sitzen im Nationalen Wasserstoffrat Unternehmen, die vom Geschäft mit dem Wasserstoff und der dazugehörigen Technik und Logistik profitieren
Durch Foren wie den Wasserstoffrat hat die Gaslobby privilegierte Zugänge, während die Zivilgesellschaft kaum vertreten ist.

Ausgewogene Kontakte und Ein­bindung von Interessen etablieren:
Akteure mit Anliegen in den Bereichen Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz, Soziales und Menschenrechte werden von politischen Entscheidungsträger:innen in energiepolitischen Fragen häufig nicht in gleichem Maße angehört wie die großen Energiekonzerne und ihre Verbände. Relevante Akteure, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel und privilegierten Zugänge verfügen, aber dennoch wichtige gesellschaftliche Anliegen und Expertise einbringen, müssen von der Politik proaktiv eingebunden werden. Im Bereich der Gaspolitik sind vor allem Klimaschutz, soziale Anliegen sowie Menschenrechtsfragen in den Förderländern relevant.

Die Lobbymacht autoritärer Regime begrenzen

Lobbynetzwerke und Lobbyarbeit autoritärer Staaten deutlich stärker kritisch in den Blick nehmen und zurückdrängen:
Bundestag und Bundesregierung müssen Netzwerke kritisch beleuchten, in denen Mitglieder des Bundestags oder der Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen, Rechtseinschränkungen oder Aggressionen autoritärer Regime gegen andere Staaten aktiv und öffentlich schöngeredet haben. Betroffene Politiker:innen müssen Rechenschaft ablegen über ihre Betei­ligung an solchen Netzwerken und notwendige Konsequenzen ziehen. Dazu kann ein Untersuchungsausschuss über den russischen Einfluss auf die deutsche Gasinfrastruktur sinnvoll sein.

Strategien und Maßnahmen erarbeiten, wie Lobby- und Korruptionsvorgängen im Zusammenhang mit ausländischen Regimen künftig besser begegnet werden kann:
1) Das Lobbyregister-Gesetz muss gegenüber Lobby­akteuren konsequent durchgesetzt werden, die im Auftrag ausländischer Regierungen mit Lobbyarbeit gegenüber Bundesregierung und Bundestag beauftragt sind.
2) Der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechlichkeit (§ 108 e StGB) muss zügig verschärft werden.
3) Bestehende Regeln und Gesetze für Abgeordnete, Ministerialbeamte sowie Regierungsmitglieder müssen effektiv kontrolliert und durchgesetzt werden. Dazu braucht es eine unabhängige Stelle mit eigenen Untersuchungskompetenzen.

Macht der Gaskonzerne beschränken

Konzernmacht beschränken:
Die Macht der Energiekonzerne schlägt sich auch in politischer Macht nieder und erschwert eine demokratische Regulierung im Sinne des Gemeinwohls. Gerade die Kontrolle von kritischer Infrastruktur bzw. der Grundversorgung durch einzelne Unternehmen macht demokratische Gesellschaften abhängig und erpressbar. Deshalb muss die Macht von Konzernen über das Kartellrecht und weitere Regulierungsmaßnahmen zurückgedrängt und eingeschränkt werden. Auch eine stärkere öffentliche Kontrolle von Bereichen der kritischen Infrastruktur und der Grund­versorgung kann sinnvoll sein.

Selbstkontrolle der Branche beschränken:
Um Gemeinwohlinteressen politisch durchsetzen zu können, darf die Gasbranche nicht selbst eine starke Rolle bei ihrer Regulierung übernehmen. Das gilt vor allem für die Planung des Aus- und Rückbaus der überregionalen Gasnetze. Hier braucht es eine unabhängige Bedarfsabschätzung und Netzplanung sowie eine stärkere Rolle der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde. Auch die Messung und Kontrolle von Methanemissionen darf nicht vorrangig der technischen Selbstverwaltung überlassen werden, sondern braucht eine gesetzliche Regelung.

Presseresonanz zu unserer Studie

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